„Mocki“ trauert um langjährigen Trainer Heinz „Heiner“ Weber

Lauftrainer Heinz „Heiner“ Weber mit seiner erfolgreichsten Athletin, Sabrina Mockenhaupt (die zu diesem Zeitpunkt für den Kölner Verein für Marathon startete), im Juli 2008 im Stadion Molzberg in der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Peking.

Brachbach. Traurige Nachricht in der heimischen Leichtathletik-Szene: Der Brachbacher Heinz Weber, langjähriger Trainer der LG Sieg und der dreifachen Olympiateilnehmerin und 45-fachen Deutschen Meisterin Sabrina Mockenhaupt, ist am vergangenen Montag an den Folgen eines schweren Sturzes im Alter von 85 Jahren gestorben.

Viele Sportler kannten ihn nur unter dem Namen „Heiner“

Viele Langstreckenläufer aus der Region haben von seinem Training profitiert. Ob junge Nachwuchsläufer, oder starke Seniorenläufer – die Liste derer, die durch seine Betreuung, sein Wissen, seine guten Ratschläge zu sportlichen Höchstleistungen und Meisterschaftserfolgen gekommen sind, ist lang. Nicht nur mit viel Sachkenntnis, sondern vor allem mit viel Gespür und Einfühlungsvermögen für das individuelle Leistungsvermögen hat er aus Talenten überaus erfolgreiche Sportler gemacht. Mit dem Vornamen Heinz konnten nur die wenigsten Sportlerinnen und Sportler, die er in rund 50 Jahren betreut hat, etwas anfangen. Als Trainer der ESG Betzdorf und später der LG Sieg (ab Gründung 1971) war er unter seinem Spitznamen „Heiner“ jedoch bestens bekannt.

Erst Fußballtrainer, dann Langstreckenläufer, dann Lauftrainer

Geboren am 17. Januar 1937 in Herdorf war für Heinrich Albert Weber, der bis zu seinem Vorruhestand als Elektro-Ingenieur bei der Firma Meteor in Mudersbach arbeitete, der Sport seine große Passion. Zunächst galt das runde Leder seiner Aufmerksamkeit, denn in den 60er Jahren trainierte er die Fußballer des SC 09 Brachbach. Sein Herz gehörte aber vor allem der Leichtathletik, ganz besonders dem Laufsport. Heinz Weber begann Anfang der 60er Jahre bei der DJK Herdorf: Als Langstreckenläufer lief er über 5000 m und 10.000 m (36:26,6 min./Marburg 1963/9. Platz Rheinlandbestenliste) sowie auch über 3000 m Hindernislauf und wurde in der Zeit von 1960 bis 1965 mehrfach Kreis-Waldlauf-Meister. Fast jedes Jahr war er in der Rheinland-Bestenliste über 5.000 und 10.000 Meter in den Top Ten zu finden. Bei den Rheinlandmeisterschaften über 25 Kilometer 1978 in Diez erzielte er dann seine beste Leistung mit 1:40 Stunden.

„Heiner“ Weber entdeckte auch das Talent von Mittelstreckler Rüdiger Möhler

Wer sich im Laufsport ein wenig auskennt, der weiß natürlich, dass das eher bescheidene persönliche Erfolge sind, über die man an dieser Stelle nicht groß reden müsste. Er selbst hätte darüber, wie auch zu seiner Person, am allerwenigsten Aufhebens gemacht. Für „Heiner“ Weber zählten einzig und allein die persönlichen Erfolge seiner Sportlerinnen und Sportler – und über diese ist dafür umso mehr zu sprechen, brachte er doch mit seinen Methoden viele zu nationalen und gar internationalen Spitzenleistungen. So ist „Heiner“ der Entdecker des großen Mittelstreckentalents Rüdiger Möhler von der DJK Herdorf, der über 800 Meter Deutscher Meister in der Jugend- und später in der Junioren-Klasse wurde und der bei den Junioren-Europameisterschaften 1975 in Athen die Bronzemedaille gewann.

Marathonläufer Klaus Orthen bis in die nationale Spitze geführt

„Heiner“ Weber begleitete auch seine Trainingsgruppe ins Trainingslager, wie hier auf Texel. Das Foto zeigt eine Laufgruppe am „Start“ zur Texelrunde (v. l.): Werner Tussing, Rainer Utsch, Statistiker Johannes Kessler, Jürgen Buhl, ???, Heiner Weber, Klaus Orthen, ??? und Hans-Jürgen Orthmann. Foto: privat

Zu Webers Laufgruppe gesellten sich schon zu Beginn der siebziger Jahre immer mehr gute Mittel- und Langstreckler, darunter neben Rüdiger Möhler auch Werner Tussing – der zunächst beim Betzdorfer Klaus Ermert trainierte und später zu Weber in die Langstrecklergruppe wechselte – und Michael Köhler (beide ESG Betzdorf) – ein starkes Trio, das auf Anhieb Deutscher Vizemeister über 3 x 1000 Meter (7:38,0 min.) wurde. Auch der Wissener Franz-Josef Schmidt, der in den 80er Jahren seine Marathon-Bestleistung in anderen Vereinsfarben auf 2:20:29 Stunden steigern sollte, legte seine Grundlagen bei Trainer Weber. „Heiner“ Weber war mit seiner Trainingsmethode des „Ausdauer-Schwellenlaufs“ auch der Vater der Erfolge des Wisseners Klaus Orthen, den er in die erweitere deutsche Spitze im Marathonlauf brachte. Orthen wurde 1978 in Bamberg DM-Vierter und lief ein Jahr später in Amsterdam in 2:17:53 Stunden einen neuen Rheinlandrekord.

Der Mann mit den drei Stoppuhren hatte Sportler und Rundenzeiten im Blick

Ein Foto aus glücklichen Tagen: Lauftrainer Heinz „Heiner“ Weber mit seiner erfolgreichsten Athletin, Sabrina Mockenhaupt (die zu diesem Zeitpunkt für den Kölner Verein für Marathon startete), im Juli 2008 im Stadion Molzberg in der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Peking. Im „Vogelnest“ lief „Mocki“ im Nationaltrikot  über 10.000 Meter ihre Bestzeit von 31:14,21 Minuten. Foto: Frank Steinseifer

Zuerst auf dem Aschenplatz auf dem Bühl in Betzdorf und in den letzten Jahren auf dem Molzbergstadion betreute Weber viele Laufgruppen. Die Liste der Läufer aufzuführen, die der introvertierte und stille Praktiker mit meist drei Stoppuhren betreute und die durch sein zum Markenzeichen gewordenen „Heiner-Training“ sportliche Erfolge feierten, ist lang – deshalb nur soviel: Da sind zum einen Tobias und Verena Dreier. Verena Dreier aus Kirchen feierte zunächst unter ihrer Trainerin Sybille Link-Willwacher 2005 und 2006 ihre Deutschen Meistertitel im Hindernislauf, ab Oktober 2008 wurde sie dann aber von „Heiner“ Weber trainiert, er führte die gelernte Physiotherapeutin dann 2009 und 2011 jeweils zu den DM-Vizetiteln über 3000 Meter Hindernis.

„Heiner“ Weber trainierte die ganze Familie Mockenhaupt

„Heiner“ Weber trainierte die ganze Marathon-Familie Mockenhaupt (von links): Sabrina (Bestzeit: 2:26:21), Vater Alfred (Bestzeit: 2:24:59), Sabrinas Zwillingsbruder Markus (Bestzeit: 2:32:29) und Mutter Hildegard (Bestzeit: 2:40:41). Foto: Frank Steinseifer

Besonders groß ist die Trauer über Webers Tod bei der Familie Mockenhaupt aus Wilgersdorf. Hier hatte „Heiner“ mit Vater Alfred (Marathonbestzeit 2:24:59 Std./Hamburg 1988), Mutter Hildegard (2:40:41 Std./Bremen 1991) und den Zwillingen Markus (2:32:29 Std.) und Sabrina (2:26:21 Std./Berlin 2010) als Trainer gleich bei vier Läufern aus einer Familie die sportliche Karriere maßgeblich geprägt. „Er war mein erster Lauftrainer, er hat mich entdeckt. Er war viel mehr für mich als ein Trainer. Er war 20 Jahre lang mein engster Vertrauter, mein Psychologe, mein Mentor. Ohne ihn hätte ich diese Erfolge nie gehabt. Auch wenn ich es mit anderen Trainern versucht habe, immer wieder bin ich zu ihm zurückgekehrt und er hat mich immer wieder aufgenommen. Als Läuferin zehn Jahre unter 32 Minuten zu bleiben, dass muss uns erst mal einer nachmachen“, zeigte sich Sabrina Mockenhaupt tief erschüttert von seinem plötzlichen Tod.

Gegensätze ziehen sich an: „Mocki“ und „Heiner“ wie Feuer und Wasser

Es war irgendwann Ende 1996, da war die noch 15 Jahre alte Sabrina zu ihren Eltern mit ins Auto zum Training gestiegen. Auf dem Sportplatz angekommen musste sie zunächst um die Gunst des Trainers von Fred und Hildegard kämpfen. „Lass die kleine in der Gruppe mal mitlaufen“, erinnert sich „Mocki“ an ihr erstes Training, „ich musste mir seine Aufmerksamkeit erst mal erarbeiten“. Das wiederum dauerte nicht allzu lange, schnell hatte „Heiner“ Weber erkannt, dass aus der nur ein Meter und 55 Zentimeter kleinen Läuferin eine ganz Große werden könnte. Augenscheinlich passte bei den beiden eigentlich so rein gar nichts zusammen: Er, ein überaus wortkarger, äußerst zurückhaltender und introvertierter Charakter in einem gesetzten Alter, der mit einem Altersunterschied von 45 Jahren locker als ihr Großvater hätte durchgehen können – und sie, die lebenslustige, quirlige, aufgedrehte Quasselstrippe, die ständig nach dem richtigen Lauf- und Lebensweg suchende junge Frau, die ihr Herz immer auf der Zunge trägt. „Mocki“ selbst gestand: „Wir waren wie Feuer und Wasser. Vielleicht hat es deshalb so gut mit uns funktioniert.“

Sabrina Mockenhaupt kehrte immer wieder zu Trainer „Heiner“ zurück

Zu ihrer aktiven Zeit hatte „Mocki“ beinahe täglichen Kontakt zu ihrem „Heiner“. „Er war kein Trainer aus der Ferne, der dann nur noch Trainingspläne übermittelte. Er musste mich sehen, er wollte sich immer mit eigenen Augen ein Bild davon machen, wie es mir gerade geht. Wo meine Leistung steht. Er konnte mich perfekt lesen. Was mir gut getan hat, war seine unheimliche Ruhe und Ausgeglichenheit. Das hat sich dann auch auf seine Sportler übertragen.“ Mit „Heiner“ Weber, Paul-Heinz Wellmann, Thomas Eickmann, Carsten Eich, Dietmar Bittermann hatte die lange Zeit erfolgreichste Deutsche Langstreckenläuferin über die Distanzen von 5.000 Meter bis zum Marathon fast ein halbes Dutzend Trainer mit unterschiedlichen Charakteren und Trainingsansätzen – doch mit niemandem arbeitete sie so erfolgreich zusammen, wie ihrem „Heiner“, zu dem sie immer wieder zurückkehrte, nachdem anderswo die Chemie nicht mehr stimmte, Verletzungen sie aus der Bahn geworfen hatten, oder die Leistung stagnierte.

„Mocki“ lüftet das Geheimnis des „Heiner-Trainings“: Dauerläufe an der Schwelle

Viele erfolgreiche Läuferinnen und Läufer haben in den vergangenen Jahrzehnten vom „Heiner-Training“ nahezu geschwärmt. Die Frage, was denn das Geheimnis der Trainingsmethode des Brachbachers gewesen sei, beantwortete Sabrina Mockenhaupt so: „Was für viele ja nach einfachem Rundendrehen aussah, hatte System. Heiner hat mit uns immer sehr nahe an der Laktat-Schwelle gearbeitet, die sollte möglichst verschoben werden, das war das oberste Ziel.  Wir haben nie die bei anderen Langstrecklern typischen, harten Tempoläufe über 4 x 2.000 Meter, oder 15 bis 20 x 400 Meter gemacht. Wir haben uns die Schnelligkeit über die Wettkämpfe geholt. Ein typisches Dienstagtraining auf der Bahn in Betzdorf sah dann so aus: wir starteten im Grundtempo von 90 Sekunden pro Runde, dann wurde gesteigert bis auf einen 80er Rundenschnitt, manchmal noch darunter, dann wieder zwei, drei Runden auf Zuruf etwas langsamer und auf den letzten fünf Runden hauten wir dann alles raus was geht. Und ganz zum Abschluss, wenn die Beine schon müde waren, gab’s noch ein Mal 700 Meter oder 1.200 Meter obendrauf. Von kurzem Tempo-Intervalltraining hat Heiner nichts gehalten. Er sagte immer, was nutzt dir das, wenn du die letzten 400 Meter in einem Rennen in 60 Sekunden laufen könntest, die Ausdauer aber nicht ausreicht, um überhaupt an diesen Punkt im Rennen zu kommen.“

„Zweifler siegen nicht – und Sieger zweifeln nicht!“

Ebenso wichtig wie die körperliche Leistungsfähigkeit und die Ausbildung der Ausdauer war für „Heiner“ Weber auch die mentale Stärke. „Er hat sich im Training immer auf die Stärken konzentriert, nicht so sehr auf die Schwächen. Er wollte immer mündige Athleten, die auch selbstbewusst sind. Ich hatte immer ein schwaches Selbstbewusstsein und habe oft an mir gezweifelt, er hat mich immer wieder bestärkt“, lobt Sabrina Mockenhaupt. Und so lautete denn auch Webers Erfolgsformel: „Zweifler siegen nicht – Sieger zweifeln nicht!“

Konditionstrainer von Brachbachs Box-Legende Peter Hussing

Weber war aber nicht nur Lauftrainer, sogar als Konditionstrainer machte er die Brachbacher Box-Legende Peter Hussing fit für die nächsten Kämpfe. Neben dem Sport galt Heinz Webers Leidenschaft der klassischen Musik und der Oper. Als Vorsitzender des Richard-Wagner-Verbands Ortsverband Siegen e.V. und mit Reisen zu den Bayreuther Festspielen gehörte er zu den Förderern von jungen Musikern.

Dienstagtraining im Molzbergstadion in Erinnerung an „Heiner“ Weber

Die Trauerfeier findet am kommenden Dienstag, 3. Mai, in der Friedhofskapelle in Brachbach statt.  Auch an dieser Stelle gilt das Mitgefühl seiner Ehefrau Gisela und den beiden Kindern (ein Sohn und eine Tochter) von Heinz Weber. Wie viele andere, so wird auch die Familie Mockenhaupt nächste Woche von ihrem langjährigen Trainer Abschied nehmen – die Zwillinge Sabrina und Markus Mockenhaupt werden in Erinnerung an ihren Trainer und Mentor zur gewohnten Uhrzeit am Dienstagabend und am gewohnten Ort im Molzbergstadion ihr gewohntes „Heiner“-Training absolvieren. So sagen sie: „Auf Wiedersehen“. Ein gutes Training als Abschiedsgeschenk, so hätte es sich „Heiner“ Weber wohl gewünscht.

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