Das Unternehmen Doppelstart bei der Leichtathletik-Europameisterschaft in Zürich hat für Sabrina Mockenhaupt (LG Sieg) kein gutes Ende genommen. Eine Verletzung am rechten Fuß, die sich die 33-jährige Obersdorferin beim 10.000-Meter-Lauf (6. Platz) vor vier Tagen zugezogen hatte, zwang sie zur Aufgabe im Marathonlauf am Samstagmorgen. Kurz nach der Halbmarathonmarke, die sie bereits aussichtslos zurückgefallen in indiskutablen 1:21:00 Stunden durchlief, waren die Schmerzen so stark, dass an ein Weiterlaufen nicht mehr zu denken war. Ein MRT in einer Züricher Klinik gab dann Aufschluss darüber, dass sich Sabrina Mockenhaupt beim 10.000-Meter-Rennen am Dienstag eine Prellung in der Ferse zugezogen hatte und somit das rechte Fußgelenk absolut überlastet war.
Mockenhaupt quälte sich bis zur Halbmarathonmarke
Bei nasskühlen Temperaturen von 12 Grad hatte Sabrina Mockenhaupt mehrfach nach Gehpausen versucht, das Rennen wieder aufzunehmen, hatte auf die Zähne gebissen, um für die Mannschaftswertung zumindest einen Zieleinlauf zu schaffen und mit Mona Stockhecke und Katharina Heinig eine Teamwertung zu bilden. Doch noch vor der 25-Kilometer-Marke ging dann nichts mehr. Zum ersten Mal in ihrer bereits langen Laufkarriere gab Mocki ein Marathonrennen auf.
„Ich wollte wirklich durchlaufen!“
Eingehüllt in eine wärmende Rettungsfolie stand sie noch während des Rennens Rede und Antwort. Enttäuscht und frustriert, jedoch gefasst erklärte die 39-fache Deutsche Meisterin, die mit einer Bestzeit von 2:26:21 Stunden als beste Marathonläufern des DLV-Trios an den Start des anspruchsvollen mit kräftezehrenden Anstiegen gespickten Rundkurses in der Zürcher Innenstadt gegangen war: „Ich wollte wirklich durchlaufen! Aber mein rechter Knöchel hat nicht mitgespielt. Da hatte ich irgendwie eine Prellung aus dem 10.000-Meter-Rennen. Es tut mir unendlich leid für die Mannschaft. Wir haben vier Tage lang alles dafür gegeben, dass ich hier starten kann. Ich bin noch nie bei einem Marathon ausgestiegen. Die Strecke war nicht so schlimm, die Stimmung war gut. Aber ich habe von Anfang gemerkt, dass ich keinen richtigen Schritt ziehen kann. Ich bin immer langsamer geworden, es ging nichts mehr. Ich bin enttäuscht, ich hatte mir viel mehr erwartet. Ich wäre hier auch als Letzte durchs Ziel gelaufen!“
„Soll man da etwa lachen…?“
Vor einer Stunde postete Mocki dann auf Facebook: „Das Ärzte-und Physioteam des DLV hat in den letzten Tagen Höchstleistungen vollbracht und alles getan, dass es mir überhaupt möglich war, heute zu starten! Dafür möchte ich mich an dieser Stelle schon recht herzlich bedanken! Irgendwann muss man dann aber selbst die schwierige Entscheidung treffen, ob es geht oder nicht! Ich habe bis zuletzt selbst geglaubt, dass es geht, aber heute ging es leider nicht und wer dann noch meint, man dürfte dabei nicht weinen oder man weint schon wieder, der weiß nicht, was ich für Schmerzen hatte! Soll man da etwa lachen…? Erst recht habe ich gegen den Ausstieg angekämpft, da es die vielen Miesmacher und Kritiker erwartet haben! Aber damit kann ich umgehen, da dem nicht so ist! (…) Und so langsam kommt auch mein Stolz über meinen 6. Platz über 10.000 Meter wieder und nur die Menschen, die mich wirklich kennen und wissen, aus welcher Situation und mit welchem Training ich diese Leistung vollbracht habe, können wirklich einschätzen, was ich geschafft habe!“
Die Bilder von Mockis blutverschmierten Beinen im Ziel nach dem harten EM-Rennen über 10.000 Meter waren um die Welt gegangen. Im dichten Gerangel hatten die vorauslaufenden Kontrahentinnen – vermutlich waren es die Spikesnägel der Polin Karoline Jarzynska – der DLV-Läuferin die Blessuren am linken Oberschenkel und am Knie zugefügt. Solche Verletzungen sind im Mittel- und Langstreckenlauf, besonders bei Crossläufen, jedoch keineswegs ungewöhnlich. Ein paar Schritte zu dicht hinter der Konkurrenz, schon streifen die Nagelschuhe, die bei Rennen auf der Tartanbahn mit relativ kurzen Spikes von sechs bis sieben Millimetern, im Querfeldeinlauf aber mit 12 bis 18 Millimetern bestückt sind, die Beine des Hinterherlaufenden und hinterlassen so Wunden die jedoch meist schnell verheilen, aber Narben für die Ewigkeit hinterlassen. Durch den erhöhten Adrenalinspiegel und die Konzentration auf den Rennverlauf stellen Läuferinnen und Läufer meist erst im Ziel fest, dass sie von den gegnerischen Spikesnägeln geritzt wurden.
„Meine Beine fühlen sich fast 24 Stunden nach den 10.000 Metern-Lauf gar nicht so schlecht an!“
Diese Wunden waren auch für Sabrina Mockenhaupt trotz der kurzen Regenerationszeit vor dem Marathon nicht das eigentliche Problem und somit auch kein Handicap für die 42,195 Kilometer durch die Züricher Innenstadt. Bereits am Tag nach dem 10.000-Meter-Lauf war Sabrina Mockenhaupt wieder guter Dinge und schrieb auf Facebook an ihre Fangemeinde: „Die Physios des DLV wie Norbert Müller geben alles. Meine Beine fühlen sich fast 24 Stunden nach den 10.000 Metern gar nicht so schlecht an, nachdem ich heute mit Katha Heinig locker 8 Kilometer gelaufen bin.“ Doch schon einen Tag nach den 10.000 Metern berichtete Mocki auch, „einzig das rechte Fußgelenk will noch nicht so wie ich will, aber es ist ja noch Zeit…“ Das war am vergangenen Donnerstag.
Schubser in den Innenraum
Es war voraussichtlich ein Schubser in den Innenraum während des Rennens im Letzigrundstadion der zur Fersenprellung geführt hat und somit die Ursache für die Aufgabe des Marathonrennens war. Vier Tage lange war Mocki behandelt worden, damit das DLV-Team vollständig an der Startlinie stehen konnte. „Ein DNF wird es bei der EM diesmal nicht geben“ (DNF steht für „Did not finish“/Rennaufgabe) hatte das nur 1,55 Meter kleine und 46 Kilogramm leichte Aushängeschild der Deutschen Langlaufszene noch im Vorfeld der EM erklärt – damit jedoch sicher das Rennen über die 25 Stadionrunden gemeint. Nachdem Sabrina Mockenhaupt die ersten 10 Kilometer in 36:20 Minuten gelaufen war nahmen die Schmerzen mehr und mehr zu. Für die Mannschaft biss sie die Zähne zusammen, nahm nach Runde eins noch einmal die Beine in die Hand, nachdem sie schon gegangen war – aber der Körper spielte dann doch nicht mehr mit.
Somit war die Rennaufgabe von Mocki, die als eine von insgesamt fünf Läuferinnen im Feld das Ziel nicht erreichte, auch keine Frage des Willens, sondern eine Frage des Könnens. Die Verletzung war zu groß und die Schmerzen ebenfalls. Mit einer Zeit von um die 2:32:00 Stunden von Mocki, einer starken Vorstellung der DLV-Läuferin Mona Stockhecke (22. Platz in 2:35:44 Std.) und einer passablen Leistung von Katharina Heinig (28. Platz in 2:40:11 Std.) wäre zwar für das Deutsche Trio auch kein Edelmetall drin gewesen, doch die deutschen Langstrecklerinnen hätten sich auf der internationalen Bühne wieder einmal gezeigt. Das taten dann die Italienerinnen und Portugiesinnen.
Nach einem guten sechsten Platz im EM-Rennen über 10.000 Meter am Dienstagabend endete die Europameisterschaft für Sabrina Mockenhaupt nun doch mit einer großen Enttäuschung – irgendwie passend für dieses Jahr, dass von der Trennung von ihrem langjährigen Freund geprägt war. Kritik am Marathon-Ausstieg von Sabrina Mockenhaupt ist unangebracht. „Mocki“ hatte sich mit dem EM-Start über die 42,195 Kilometer ganz bewusst in den Dienst des DLV-Teams gestellt, die Siegerländerin hatte mit ihrem Start erst eine Teamwertung möglich gemacht. Ganz anders positionierte sich da zum Beispiel die 24-jährige DLV-Läuferin Anna Hahner, die mit ihrer Marathonzeit von 2:28:59 Stunden (Wien 2014) die vom DLV geforderte EM-Norm von 2:31:30 Stunden klar unterboten hatte, letztlich aber auch aus finanziellen Gründen auf einen EM-Start verzichtete.
EM-Absage von Anna Hahner
Nach Angaben von laufen.de hatte Anna Hahner ihre EM-Absage mit der Streichung ihrer Zugehörigkeit aus der Sportfördergruppe der Bundeswehr begründet. Anna Hahner hatte aufgrund eines Ermüdungsbruchs nicht an der WM in Moskau teilnehmen können, deshalb wurden ihr die finanziellen Mittel dieser Förderung gestrichen. Das Internetportal laufen.de, offiziell unterstützt vom Deutschen Leichtathletikverband, zitierte Anna Hahner im Mai 2014 so: „Also mussten wir selbst für uns ein System aus Partnern aufbauen, damit wir Leistungssport auf dem Niveau machen können.„Ein essentieller Teil der Finanzierung besteht aus den Marathons. Zwei Mal im Jahr hat man dazu die Möglichkeit. Ein Start bei der EM bringt einen unschätzbaren emotionalen Mehrwert. Doch davon bezahlt sich weder die Miete noch die Krankenversicherung.“
Sabrina Mockenhaupt mit Start bei Herbstmarathon?
Während andere Spitzenleichtathleten mehrfach bei internationalen Meetings starten und somit ihr Geld verdienen können, haben die „Marathonis“ meist nur im Frühjahr und im Herbst die Gelegenheit, ein wenig „Kasse“ zu machen – ansonsten betreiben sie auf Dauer Raubbau an ihrem Körper, der ihr Kapital ist. Wenn der relativ frühe Ausstieg nach 22 Kilometern beim EM-Marathon für Sabrina Mockenhaupt ein Gutes hat, dann dies: Mocki konnte ein paar Körner sparen und sollte es nun gelingen, die Fußverletzung schnell auszukurieren, würde einem Herbstmarathon nichts im Wege stehen. Sechs Wochen sind es bis Frankfurt, zehn Wochen bis zum Berlin-Marathon. Eine gute Marathonform lässt sich bis dahin sicher konservieren.